02.03.2017
Am Computer, auf dem Smartphone, über das Tablet: Millionen von Menschen in Deutschland sind rund um die Uhr online erreichbar. Immer öfter kommt es in der digitalen Welt zur sogenannten Cybergewalt. Dabei werden verschiedene digitale Kanäle, wie Nachrichten-Apps, SMS, E-Mail oder soziale Netzwerke genutzt, immer mit dem Ziel, einer Person zu schaden. Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" berät zu allen Formen von Cybergewalt, darunter Beleidigung, Verleumdung, Bedrohung, Erpressung und Cyberstalking. Michaela D. Brauburger ist Medienpädagogin und Expertin auf dem Gebiet. Im Interview beschreibt sie die Wirkungsweise von Gewalt in der digitalen Welt und wie Betroffene sich schützen können.
Grundsätzlich muss man sagen: Von allen Formen der Cybergewalt können Frauen wie Männer betroffen sein. Das Thema "Sexting und seine Folgen" betrifft Mädchen und Frauen aber möglicherweise etwas öfter. Hierbei geht es um erotische Selfies in Form von Fotos oder Filmen, die zunächst gezielt an ausgewählte Adressaten geschickt werden, die diese dann ohne Einwilligung der betroffenen Person unkontrolliert verbreiten. Oft steckt der eifersüchtige Partner oder enttäuschte Ex-Freund dahinter.
Vermutlich sind es auch mehr Frauen, die – ohne es zu wissen – von ihren Partnern mithilfe von Smartphone-Einstellungen oder Spionage-Apps überwacht werden. Frauenthemen oder einzelne Frauen können zudem Ziel von Hassrede und sogenannten Shitstorms sein.
Das Netz vergisst nichts. Inhalte, die einmal online sind, verfolgen Betroffene daher über einen langen Zeitraum. Man kann also keinen Schlussstrich ziehen. Es ist daher nicht einfach, nach der Lösung des Problems oder der Veränderung der Ausgangssituation einen Neuanfang zu planen.
Ein weiterer Punkt: Die Möglichkeiten der technischen Überwachung – zum Beispiel das Mitlesen von Nachrichten oder die Kenntnis des Aufenthaltsortes – führen mitunter dazu, dass sich Frauen noch stärker verfolgt, bedroht und hilflos fühlen. Der Grund: Sie können sich oft nicht erklären, woher der Verfolger so viel über sie weiß.
Das Risiko, Opfer von Cybergewalt zu werden, lässt sich mit einigen Vorsichtsmaßnahmen reduzieren. Wichtig sind etwa Passwortsicherheit und Datensparsamkeit. Auch die Auswahl geeigneter Datenspeicher für privates und intimes Bildmaterial sowie die Nutzung der Privatsphäre-Einstellungen bei Geräten und Anwendungen spielen eine Rolle. Und natürlich geht es auch um die bewusste Auswahl der Inhalte und Kontaktpersonen: Mit wem teile ich also welche Informationen? Außerdem sollte man einen Überblick haben, wie und wo man Inhalte melden kann und wie sich Kontakte blockieren oder löschen lassen.
Viele Tipps und Hinweise findet man online auf "klicksafe.de – Die EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz". Auch das "BSI für Bürger – das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik" bietet Orientierung.
Ich empfehle, möglichst schnell zu reagieren, also Inhalte melden und löschen. Der nächste Schritt: Betroffene sollten die entsprechenden Kontakte melden und blockieren sowie juristische Schritte einleiten. Eine Anwältin oder ein Anwalt kann zivilrechtlich vorgehen und die Löschung von Inhalten beantragen und einstweilige Verfügungen erwirken. In vielen Fällen gibt es die Möglichkeit, Strafanzeige zu stellen. Diese Schritte erfordern viel Kraft. Beratungsstellen können dabei eine große Hilfe sein.
Oft landen die verbreiteten Inhalte auch bei Personen aus dem sozialen Umfeld der Betroffenen. In so einem Fall ist es für Freundinnen, Freunde und Verwandte dann oftmals offensichtlich, was passiert. Wird eine Frau ohne Einbeziehung der Öffentlichkeit bedroht und beleidigt, ist es aus meiner Sicht am besten, wenn sie darüber spricht und sich aktiv Hilfe holt. Das fällt in jedem Fall leichter, wenn das Umfeld Hilfe anbietet, sobald man dort merkt, dass irgendetwas nicht stimmt.
Wenn Beleidigungen und private Inhalte veröffentlicht werden, kann der Freundeskreis die Inhalte ebenfalls melden und die Absender melden und blockieren. Oft ist es eine große Hilfe, wenn die betroffene Frau merkt, dass sie nicht alleine ist. Bei gravierenden Folgen kann man der Frau weiterhin beistehen und sie auf Beratungs- und Hilfsangebote aufmerksam machen und sie zu den entsprechenden Stellen begleiten.
Das Hilfetelefon ist nicht nur ein anonymes und vertrauliches Angebot, sondern auch ein niedrigschwelliges und daher extrem wichtig. Die Beraterinnen können den betroffenen Frauen helfen, ihre Situation einzuordnen und ihnen konkrete Tipps für die nächsten Schritte geben. Sie verweisen auf regionale Beratungsangebote und können Mut machen, diese aufzusuchen. Das wiederum ist besonders wichtig, da viele Fälle von Cybergewalt nicht aus eigener Kraft bewältigt oder gelöst werden können. Ein weiterer Pluspunkt: Das Hilfetelefon bietet auch Informationen für Menschen, die vermuten oder wissen, dass in ihrem Umfeld jemand Opfer von Cybergewalt geworden ist.
Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" unterstützt Ratsuchende auch online – in der Chat-Beratung per E-Mail-Beratung.
Michaela D. Brauburger arbeitet als freie Referentin zum Thema Cybergewalt. Sie ist unter anderem im Bereich der Ausbildung von Medienscouts im rheinland-pfälzischen Landesprogramm "Medienkompetenz macht Schule" tätig. Zudem schult sie die Beraterinnen des Hilfetelefons "Gewalt gegen Frauen" zum Thema Cybergewalt.