Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen"

24.04.2023

Gewalt gegen Frauen ist auch an Universitäten ein Thema – Wie die Uni Heidelberg einen Wandel anstößt

"Chancengleichheit und Respekt gehören inzwischen zusammen", sagt Charlotte von Knobelsdorff, die an der Universität Heidelberg die Einrichtung UNIFY – "Unit for Family, Diversity and Equality" leitet. Im Interview schildert sie, welche Konzepte es in Heidelberg zum Schutz vor geschlechtsbezogener Gewalt gibt.

­Frau von Knobelsdorff, ist Gewalt gegen Frauen ein Thema, das Studierende, Mitarbeitende und Lehrende an der Uni Heidelberg umtreibt?

Charlotte von Knobelsdorff: Ja, das ist es. Wir haben 2011 eine Befragung aller Mitglieder der Uni durchgeführt. Damals haben 27 Frauen, 13 Männer und zwei Personen, die sich als divers bezeichnen, von Gewalt und Nötigung berichtet. Bei 30.000 Studierenden und 15.000 Mitarbeitenden waren das 1,3 Prozent. Wir sind also schon seit Jahren sensibilisiert für das Thema. Wir arbeiten auch weiterhin daran, dass Studierende und Mitarbeitende möglichst viele Informationen darüber erhalten sowie Unterstützung finden. Dafür kooperieren wir auch mit anderen Akteuren. Zum Beispielmit dem Amt für Chancengleichheit der Stadt Heidelberg. Es wurde ein "Guide for you"-Programm aufgelegt, wonach Betroffenen mehrsprachige Guides zu Seite stehen, die sie z. B. begleiten – ins Krankenhaus oder zur Polizei. Das Projekt soll die existierenden Beratungsstrukturen in Heidelberg für Betroffene von häuslicher Gewalt nachhaltig verbessern. Die Stadt Heidelberg arbeitet zusammen mit der Gewaltambulanz des Instituts für Rechts- und Verkehrsmedizin des Universitätsklinikums Heidelberg, der Fakultät für Angewandte Psychologie der SRH Hochschule Heidelberg, der Klinik für Allgemeine Psychiatrie des Universitätsklinikums Heidelberg, der Polizei und der Interventionsstelle für Frauen und Kinder.

Und was passiert hochschulintern? Welche Gremien befassen sich mit dem Thema? Wird es als wichtig erachtet?

Charlotte von Knobelsdorff: Sexualisierte Gewalt ist in jedem Fall ein relevantes Thema an der Hochschule und das ist an höchster Stelle angekommen, also auch in der "Rektoratskommission Partnerschaftliches Verhalten". So wie sich die Gesellschaft wandelt, wandeln sich auch die Universitäten. Das Bewusstsein, dass Hierarchien und Abhängigkeitsverhältnisse das deutsche Wissenschaftssystem lange geprägt haben, ist vorhanden. Nach meiner Einschätzung übrigens nicht nur an unserer Universität, sondern auch bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), wo Chancengleichheit und Exzellenz inzwischen zusammengehören.

Könnte man von einem Kulturwandel sprechen? Falls ja, wie gestalten Sie diesen in Heidelberg?

Charlotte von Knobelsdorff: Ein wichtiger Baustein ist unser Konfliktmanagement-System, das aktuell in Arbeit ist. Seit zwei Jahren arbeiten wir daran, beteiligt sind alle relevanten Einrichtungen der Universität, das Rektorat, die Verwaltung, der Kanzler. Mit dem Ziel der Professionalisierung im Umgang mit Konflikten und Fehlverhalten sowie zur Schaffung von Transparenz wurde in einem Beteiligungsprozess ein umfassendes System zum Umgang mit Konflikten und Fehlverhalten entwickelt: Betroffene wie Beratende sollen Angebote und klare Ansprechstrukturen vorfinden und sich schnell und sicher in der Struktur zurechtfinden. Eine unabhängige zentrale Anlaufstelle führt durch das System und ist neben der Beratung und Steuerung vor allem für die Schulung – zum Beispiel Intervision oder Supervision – aller Universitätsmitglieder zuständig sowie für das Monitoring.

Gibt es Angebote für den professionellen Umgang mit sexualisierter Gewalt für Mitarbeitende in der Verwaltung oder der Lehre?

Charlotte von Knobelsdorff: Ja, diese Angebote gibt es bereits. In Zukunft möchten wir die Mitarbeitenden aber noch besser schulen. Regelmäßige Fort- und Weiterbildungsangebote für Führungskräfte, Beschäftigte und Auszubildende sind wichtig. Alle sollen ihre Rechte, aber auch ihr Pflichten kennen. Wichtig ist natürlich, dass Betroffene sofort wissen, an wen sie sich wenden können. Und dass die Beratung empathisch und vertraulich ist. Aber dann wollen die nächsten Entscheidungen getroffen werden, Vorgesetzte sind dann verpflichtet, tätig zu werden. Zunächst geht es um eine vertrauliche Beratung über den Rechtsweg. Betroffene sollten wissen, was hier die Schritte sind, bevor sie sich dafür oder dagegen entscheiden. Dann kommt es immer darauf an, um welche Funktion es bei den Beschuldigten geht: Handelt es sich um Mitarbeitende, greift arbeitsrechtlich das Dienst- oder Beamtenrecht. Handelt es sich um Studierende, sind hochschulrechtliche Sanktionsmöglichkeiten gegeben.

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