20.7.2018
2018 sind Frauen unabhängig von ihrem sozialen oder kulturellen Hintergrund, mit und ohne Einwanderungsgeschichte von Gewalt betroffen. Unverzichtbar sind deshalb individuelle Angebote, um Frauen zu beraten und zu unterstützen, wenn sie Gewalt erfahren haben oder davon bedroht sind. Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" leistet mit persönlicher Beratung in 17 Fremdsprachen dazu einen wertvollen Beitrag.
Vielen Frauen fällt es schwer, über Gewalterfahrungen zu sprechen – erst recht, wenn sie in ein noch fremdes Land zugewandert sind. Bei geflüchteten Frauen kommt hinzu, dass sie häufiger im Umfeld ihrer Unterkunft bleiben und diese seltener verlassen als Männer. Umso wichtiger ist es, die Frauen dort zu erreichen, wo sie sich aufhalten und ihnen mit Hilfe zur Seite zu stehen.
Darauf zielt auch das durch die Bundesregierung geförderte Projekt MiMi-Gewaltprävention mit Migrantinnen für Migrantinnen des Ethno-Medizinischen Zentrums: An bundesweit neun Standorten beraten Mediatorinnen Frauen und Mädchen mit Einwanderungs- oder Fluchtgeschichte über ihre Rechte. Die Mediatorinnen gehen direkt zu den Frauen in die Aufnahme- und Gemeinschaftsunterkünfte und in den familiären Bereich.
Diese persönliche Ansprache ist entscheidend. Die Mediatorinnen wissen aus eigener Erfahrung, wie herausfordernd das Ankommen in einem neuen Umfeld, in einer noch vollkommen fremden Umgebung sein kann – und dies umso mehr, wenn traumatische Erfahrungen hinzukommen. Die Mediatorinnen informieren im Gespräch über Menschen-, Kinderschutz- und Frauenrechte und erklären, wie sich Frauen vor Übergriffen schützen können. Rund 5.000 Frauen konnten so bereits erreicht werden.
Seit diesem Jahr werden auch männliche Mediatoren ausgebildet, um geflüchtete Männer für Gewaltprävention zu sensibilisieren und von Gewalt betroffene Männer zu beraten. Denn ein respektvolles gewaltfreies Miteinander setzt voraus, dass Frauen und Männer gleichermaßen einbezogen werden.
Frauen stark machen – das muss das Ziel sein. Das ist ein wichtiger Schritt, um Frauen besser vor Gewalt zu schützen, aber auch eine notwendige Voraussetzung dafür, dass Frauen ihre Rechte voll wahrnehmen können. Und das nutzt allen. Denn die Teilhabe von Frauen in allen Lebensbereichen ist Voraussetzung dafür, dass eine Gesellschaft ihr demokratisches und auch wirtschaftliches Potenzial voll ausschöpfen kann.
Außerdem haben Frauen eine Schlüsselrolle für die Integration der gesamten Familie. Und das Frauenbild, das in der Familie gelebt wird, prägt die nächste Generation. Auch deshalb ist es wichtig, dass z.B. Sprach- und Integrationskurse genauso wie Bildungs- und Arbeitsmarktmaßnahmen noch stärker auf Frauen ausgerichtet werden.
Dabei sollten wir nicht vergessen: Auch in Deutschland sind Gleichberechtigung und Emanzipation nicht vom Himmel gefallen, sondern waren ein jahrhundertelanger Prozess.
Viele Frauen haben in ihren Herkunftsländern – öfter als einige vermuten mögen – ein durchaus selbstbestimmtes Leben geführt. Auch sie müssen nach dem Ankommen in Deutschland für sich Wege finden, um sich ein "neues" Leben aufbauen zu können. Dies zu unterstützen ist Ziel eines Projekts der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zum Empowerment geflüchteter Frauen und anderer besonders schutzbedürftiger Personengruppen. Hier beraten, gefördert durch die Bundesregierung, bundesweit Caritas, Diakonie, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Rotes Kreuz und AWO Frauen individuell zum Beispiel bei der Wohnungssuche, der Gesundheitsvorsorge oder beim Thema Einkommenssicherung.
Auch das Projekt MUT – Migrantinnen als Mutmacherinnen und Brückenbauerinnen des Dachverbandes der Migrantinnenorganisationen DaMigra ist diesem Ziel gewidmet: Frauen mit eigenen Einwanderungs- und Integrationsgeschichten informieren, beraten, bilden und begleiten zugewanderte Frauen und unterstützen so ihre gesellschaftliche Teilhabe.
Frauen egal welcher Herkunft müssen selbstbestimmt, sicher und gewaltfrei in unserem Land leben können. Das ist ein Grund- und Menschenrecht. Ich freue mich, mit dem Bundesamt und seinem Hilfetelefon "„Gewalt gegen Frauen" sowie zahlreichen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren kraftvolle Partner an meiner Seite zu wissen, die für diese Rechte streiten.
Annette Widmann-Mauz ist seit März 2018 Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration.