Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen"

03.05.2016

Mehr Schutzräume für geflüchtete Frauen – Interview mit Aydan Özoğuz

Ein Leben in Deutschland bedeutet für viele geflüchtete Frauen nicht zwangsläufig auch ein Leben in Sicherheit. Gewalttätige Übergriffe in Notunterkünften sind keine Seltenheit. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoğuz setzt sich für bessere Bedingungen für geflüchtete Frauen in den Unterkünften ein.

Der Wunsch nach einem gewaltfreien Leben in Freiheit und Sicherheit lässt sie eine gefährliche Reise über tausende von Kilometern antreten. In Deutschland angekommen werden die meisten Geflüchteten in Notunterkünften untergebracht. Mehr als 400.000 Asylanträge wurden laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im vergangenen Jahr in Deutschland gestellt. Rund 30 Prozent der Geflüchteten in Deutschland sind Frauen. Viele von ihnen sind allein oder mit ihren Kindern unterwegs. Für geflüchtete Frauen bedeutet das Leben in der Unterkunft jedoch nicht zwangsläufig auch ein Leben in Sicherheit. Sie werden häufig Opfer von Diskriminierung und geschlechtsspezifischer Gewalt. Es gibt kaum Schutzräume und wenig Privatsphäre. Das Bundesfamilienministerium hat ein Investitionspaket entwickelt, das die Situation der geflüchteten Frauen verbessern soll. Unterstützt wird das Konzept von Aydan Özoğuz, der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Eine wesentliche Rolle im Unterstützungssystem kommt auch dem Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" zu.

Vor welchen Herausforderungen stehen wir aktuell, wenn es darum geht, geflüchtete Frauen in Unterkünften der Flüchtlingshilfe besser vor Gewalt zu schützen?

Oft haben geflüchtete Frauen bereits in ihren Herkunftsländern oder auf der Flucht Gewalt in unterschiedlichster Form erfahren. Die Folgen können psychische und physische Beeinträchtigungen bis hin zu schweren Traumata sein. Auch nach der Ankunft in Deutschland ist ihre Situation häufig nicht einfach. In den großen Einrichtungen und Notunterkünften finden sie kaum Rückzugsräume und Schutzmöglichkeiten. Besonders problematisch stellt sich die Situation für alleinstehende Frauen dar.

 

Welche konkreten Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht sinnvoll, um den Schutz geflüchteter Frauen zu gewährleisten? Wie können die Flüchtlingshelferinnen und -helfer und die örtlichen Verwaltungen in ihrer Arbeit unterstützt werden?

Es ist dringend notwendig, die Einrichtungen für Frauen und Familien sicherer zu gestalten. Dazu gehören bauliche Maßnahmen. Das sind oft ganz banale Dinge, wie etwa getrennte sanitäre Anlagen oder Räume, in die die Frauen sich zurückziehen können. Hier hat das Bundesfamilienministerium im März ein Investitionsprogramm mit der KfW gestartet, das mit 200 Millionen Euro hilft, die notwendigen baulichen Maßnahmen zu finanzieren. Neben baulichen Maßnahmen sollte auch die Anzahl der in den einzelnen Einrichtungen untergebrachten Personen überschaubar bleiben. Und die ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen für das Thema sensibilisiert werden.
 
Das Wichtigste ist aber, die Frauen zu stärken. Wir müssen ihnen zeigen, wie ein selbstbestimmtes Leben (wieder) möglich ist und wie sie die vorhandenen Möglichkeiten weiter nutzen können. Denn wer innerlich stark ist, ist weniger gefährdet, Opfer zu werden oder zu bleiben. Sie brauchen also vor allem Möglichkeiten, sich mit anderen Frauen auszutauschen, um in den Unterkünften nicht isoliert zu bleiben. Die Einrichtung von Frauencafés ist da eine wunderbare und bewährte Maßnahme. Auch Angebote wie Infoveranstaltungen zum Beispiel zur Gewaltprävention sind gut geeignet. Darum fördere ich mit insgesamt rund 3,6 Millionen Euro Projekte zur Gewaltprävention für geflüchtete Frauen von insgesamt circa 7 Millionen Euro Förderung im Themenbereich Frauen und Flucht.

 

Welche Rolle kann Ihrer Meinung nach das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" für geflüchtete Frauen spielen? 

Das Hilfetelefon ist eine gute Sache, denn jede von Gewalt betroffene Frau – ob geflüchtet oder nicht – muss Unterstützung und Ansprechpartnerinnen bekommen. Bei geflüchteten Frauen kommt erschwerend hinzu, dass sie unser Hilfesystem noch nicht kennen und überhaupt erst einmal von Angeboten wie dem Hilfetelefon erfahren müssen. Darum ist es so wichtig, dass das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" auf sein Angebot in so vielen verschiedenen Sprachen aufmerksam macht und dann die Unterstützung ebenfalls in der Herkunftssprache der Frauen möglich ist.
 

Wie kann eine nachhaltige Integration speziell von Migrantinnen gefördert werden?

Frauen brauchen keine grundsätzlich anderen Angebote als Männer, um zum Beispiel Deutsch zu lernen, eine Ausbildung zu machen oder eine Arbeit oder eine Wohnung zu finden. Allerdings sind für manche Frauen die Zugangshürden zu den bestehenden Angeboten höher. Das kann unterschiedliche, vor allem soziale und kulturelle Gründe haben. Deshalb brauchen wir unter anderem eine gute Kinderbetreuung, damit Mütter von kleinen Kindern beruhigt Sprachkurse oder andere Bildungsmaßnahmen besuchen können. Außerdem gibt es die Frauenintegrationskurse, die sich speziell an Frauen richten, die Scheu davor haben, mit Männern in derselben Klasse zu sitzen. Gerade in den Integrationskursen und dem anschließenden Orientierungskurs muss das Thema Gleichberechtigung stark verankert sein, damit Migrantinnen selbstbestimmt und selbstbewusst ihren Weg gehen können.

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