Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen"

"Die Angebote müssen sichtbar sein!" 

Wie die Polizei Gelsenkirchen auf das Hilfetelefon aufmerksam macht

Bettina Hartmann ist Kriminalhauptkommissarin der Polizei Gelsenkirchen und leitet das Kommissariat für Kriminalprävention und Opferschutz. Sie selbst hat bei der Polizei viele Jahre Betroffene von häuslicher Gewalt betreut. Jetzt setzt sie sich dafür ein, dass Frauen von den Beratungsangeboten erfahren. Im Gespräch erklärt sie, wie sie die Kampagne des Hilfetelefons nutzt, um Betroffenen zu zeigen, dass sie sprechen können und nicht alleine sind.

Liebe Frau Hartmann, was genau heißt Prävention und Opferschutz in der Arbeit der Polizei?

Wir sind die kriminalpräventive Dienststelle in Gelsenkirchen. Das heißt, wir bedienen alle Präventionsthemen. Dazu gehören unter anderem Gewalt im sozialen Nahraum, wozu auch Häusliche Gewalt zählt, Gewalt gegen Frauen, öffentliche Gewalt, Seniorenprävention, Opferschutz, politisch motivierte Kriminalität und auch Jugendkriminalität – also ein bunter Fächer an Themen. Ein großer Teil ist der Opferschutz. Unser Opferschutzbeauftragter ist in den entsprechenden Netzwerken vertreten, insbesondere auch beim Runden Tisch gegen Häusliche Gewalt zusammen mit Vertretern der Stadt und von Hilfseinrichtungen.


Welche Rolle spielt dabei das Thema Gewalt gegen Frauen?

Jedes Opfer häuslicher Gewalt bekommt bei uns die Möglichkeit, sich beraten zu lassen. Wir erhalten Kenntnis von jedem einzelnen Fall und versuchen dann Kontakt zu der Frau aufzunehmen und ein Beratungsgespräch zu initiieren, meist in Kooperation mit dem Weißen Ring.


In diesem Zusammenhang vermitteln Sie Betroffene an verschiedene Frauenberatungsstellen?

Genau. Es gibt in Gelsenkirchen ein sehr gutes Netzwerk an lokalen Angeboten, dabei sind die Frauenberatungsstellen immer vorneweg zu nennen. Aber nicht jede Frau nimmt die Hilfe vor Ort auch an. Viele wollen einfach nicht eins zu eins ein Gespräch führen, sondern sich lieber etwas anonymisiert Hilfe holen, wie beispielsweise beim Hilfetelefon.


Welchen Vorteil bietet eine anonyme Telefonberatung? 

Ich kann es nur vermuten. Gewalt passiert häufig im eigenen Umfeld, in der Familie. Bei vielen ist zudem der Einsatz der Polizei noch in Erinnerung. Oftmals gibt es diese Solidarisierungseffekte seitens der Frau, wenn wir dem Mann ein Rückkehrverbot erteilen. Dann ist es manchmal einfacher, sich anonym auf der Seite des Hilfetelefons zu informieren und sich am Telefon beraten zu lassen. Alles andere ist für viele Frauen zu persönlich und zu nah. Gerade bei den Erstopfern gibt es eine gewisse Scheu.


Sie gehen auch raus und verteilen Infomaterialien von Hilfsangeboten. Sie erreichen so nicht nur Betroffene, sondern auch wichtige Multiplikatorinnen und Multiplikatoren.

Wir machen Infostände bei öffentlichen Veranstaltungen, bei denen wir Flyer zu verschiedenen Themen auslegen, darunter auch zu Gewalt gegen Frauen. Da kommen Erzieherinnen, Lehrerinnen und städtische Angestellte, die sich Infos für ihre Dienststelle mitnehmen und die Angebote so weitertragen. So erzeugen wir einen Schneeballeffekt. Wir erreichen aber zum Beispiel auch bei Konzerten eine Vielzahl von Menschen, weit über Gelsenkirchen hinaus, wie jetzt am Wochenende beim Konzert von Herbert Grönemeyer oder bei Sommer- und Cityfesten, wo wir die Hilfetelefon-Plakate auf die Dixi-Klos hängen.

Bettina Hartmann zusammen mit Kriminalhauptkommissarin Marion Rochel im Juli 2019 bei einer Präventionsaktion in der Veltins ARENA FC Schalke 04.

Warum gehen Sie auch in die Fußballstadien?

Wir haben bei Fußballspielen mittlerweile einen sehr hohen Anteil von weiblichen Fans. Im Stadion von Schalke 04 hängen wir deswegen die Abreißzettel des Hilfetelefons in die Damentoiletten. An jeden Spiegel kleben wir den Aufkleber mit der Nummer. Künftig werden wir das Infomaterial mit Zustimmung von Schalke flächendeckend platzieren. Der technische Dienst von Schalke wird uns dabei helfen. Wichtig ist, dass die Plakate breit gestreut werden und sichtbar sind.


An welchen Orten können Frauen solche Informationen am besten aufnehmen?

Das sind in jedem Fall die geschützten und intimeren Orte wie Toiletten. Örtlichkeiten mit viel Zulauf und viel Öffentlichkeit sind da eher schwierig. Man möchte vielleicht auch nicht immer, dass die Freundin es mitbekommt – die meisten Frauen schämen sich. Auf die Toilette gehen, die Tür zu machen: So kann der kleine Zettel schnell mal in die Hosentasche gesteckt werden.


Welche Art von Ansprache bei Flyern und Plakaten ist wichtig?

Was ich bei vielen Kampagnen schwierig finde, ist, dass Frauen, die so viel Schlimmes erlebt haben, erneut als Opfer dargestellt werden. Unsere Intention ist es, Betroffene zu stärken. Sie haben oftmals kein Selbstwertgefühl mehr und glauben das, was der Täter sagt: 'Du bist schlecht, du bist nichts wert'. Sie werden oftmals über Jahre hinweg klein gemacht. Es ist daher so wichtig, ihr Selbstwertgefühl zu stärken und sie daran zu erinnern, wer sie sind und was sie alles erreicht haben. Wenn man diese Wende, diesen Aufbruch in ein Bild oder in eine Botschaft bekommen würde, wäre das toll.


Welche Rückmeldungen erhalten Sie zum Hilfetelefon? Erreicht die Kampagne "Aber jetzt rede ich" die Betroffenen?

Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" gibt es ja noch nicht so lang und es ist leider auch noch nicht so bekannt. Ein Flyer vom Hilfetelefon allein, eine Beratung, ist nur erfolgreich, wenn auch vieles andere ineinander greift. Aus meiner Arbeit mit gewaltbetroffenen Frauen weiß ich, dass oftmals viele Anläufe nötig sind und es manche erst nach Jahren schaffen, aus dem Teufelskreis der Gewalt auszubrechen. Jede Frau, die das schafft, ob durch die Kampagne des Hilfetelefons oder durch etwas anderes, ist letztlich ein Erfolg.


Wie nutzen die Kolleginnen und Kollegen in Ihrer Behörde das Angebot des Hilfetelefons?

Auf den Wachen liegen sowohl öffentlich als auch für die Kolleginnen und Kollegen die Broschüren und Flyer des Hilfetelefons – da, wo die Anzeigen aufgenommen werden beziehungsweise die Einsätze gefahren werden. Der Erstkontakt mit Betroffenen ist immer der Streifenwagen. Und wir haben bei jedem Sachbearbeiter für Häusliche Gewalt das Informationsangebot vom Hilfetelefon liegen, das bei Bedarf an Betroffene weitergegeben wird.

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