Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen"

24.04.2023

Schutz vor sexueller Gewalt an deutschen Hochschulen ist unzureichend

Frauenbeauftragte fordern mehr Prävention, Intervention und einheitliche Regeln

"Sexuelle Belästigungen und Gewalt sind eine ,erschreckend normale‘ Erfahrung an deutschen Hochschulen, insbesondere für Frauen und LSBTI-Personen, aber auch für Männer, denen ,Unmännlichkeit‘ oder Homosexualität zugeschrieben werden", so Prof. Dr. Eva Kocher und Stefanie Porsche von der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder) im Jahr 2015 (Die Abkürzung LSBTI steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transgeschlechtlich und intergeschlechtlich.). Die Forscherinnen hatten im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung über "Sexuelle Belästigung im Hochschulkontext" geforscht und "Schutzlücken", etwa durch uneinheitliche gesetzliche Vorgaben, identifiziert.

Hochschulen stehen in der Pflicht

Dass diese Lücken noch nicht geschlossen sind, zeigt die Forderung der Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen e. V. (bukof) nach einheitlichen Landeshochschulgesetzen. Diese gesetzlichen Verpflichtungen sollten auf alle Hochschulmitglieder und -angehörigen ausgeweitet werden. Zudem sollten umfassende Prävention sowie Intervention in Bezug auf Sexualisierte Diskriminierung und Gewalt in den Strukturen verankert werden: "Hochschulen brauchen Begleit- und Beratungsangebote und auch Schutzkonzepte. Finanzielle und personelle Ressourcen, verbindliche, transparente Verfahren sowie Verweisstrukturen müssen vorhanden und geklärt sein", heißt es im Positionspapier "Standpunkte für eine geschlechtergerechte Hochschulpolitik". "Wir sehen Hochschulen in der Pflicht, ein Antidiskriminierungsmanagement aufzubauen, am besten direkt im Verantwortungsbereich der Hochschulleitung", sagt Dr. Solveig Simowitsch, Sprecherin der Kommission "Sexualisierte Diskriminierung und Gewalt" bei der bukof.

Beschwerde-, Entschädigungs- und Fürsorgepflicht

Sexualisierte Diskriminierung und Gewalt geschieht verbal, nonverbal und durch tätliche Angriffe. Sie reicht bis ins Netz. Alle sexualisierten Verhaltens- und Handlungsweisen, die unerwünscht sind und als unangemessen, einschüchternd, feindlich, erniedrigend, entwürdigend oder beleidigend erlebt werden, gelten als Sexualisierte Diskriminierung und Gewalt. Eine häufige Ursache dafür ist Solveig Simowitsch zufolge ein hierarchisierendes Geschlechterrollenverständnis, das zur Verachtung oder Geringschätzung insbesondere von Weiblichkeit führt, aber auch alle anderen Geschlechter betrifft. "Davon ist die Studienkultur nicht frei und darüber muss mehr öffentlich gesprochen werden. Frauen tun das bereits, bleiben aber in Podiumsrunden zu diesem Thema zu oft unter sich", sagt sie. Den Hochschulen sollte klar sein, welche Verantwortung sie tragen und dass sie Vorbildcharakter haben. "Als Arbeitgeberinnen haben sie gesetzlich eine klare Beschwerde-, Präventions- und Fürsorgepflicht für ihre Beschäftigten und Studierenden. Aufgrund der bestehenden Betreuungs- und Abhängigkeitsverhältnisse sind sie zugleich aber besonders anfällig für Machtmissbrauch."

"Aufklärung zum Thema ist wichtig"

Wie gelingt es, eine Kultur des Respekts zu etablieren? Solveig Simowitsch ist überzeugt davon, dass gezielte Öffentlichkeitsarbeit dafür wichtig ist: "Noch immer ist es ein Tabu, über Gewalterfahrungen zu reden. Diese Schweigekultur müssen wir ändern. Dafür möchten wir sensibilisieren. Aufklärung zu dem Thema ist immer noch wichtig, Informationen sind nötig. Betroffene sollen sofort wissen, an wen sie sich wenden können."

Bukof: "Sanktionen gehören auch dazu"

Die bukof fordert Hochschulen dazu auf, ihre Angehörigen zu ermutigen, Sexualisierter Diskriminierung und Gewalt unmissverständlich entgegenzutreten – in jeder Rolle: als Führungskraft, als Kollegin und als Kollege, als Kommilitonin und als Kommilitone oder in der Personalvertretung. "Vertrauliche, kompetente Beratungen zur Klärung der eigenen Handlungsmöglichkeiten haben höchste Priorität. Und Sanktionen gehören dazu. Der professionelle Umgang mit Sexualisierter Diskriminierung und Gewalt muss obligatorischer Bestandteil der Führungs- und Betreuungskompetenz in Verwaltung, Lehre und Forschung sein", so die Vorstellung der bukof.

Konkrete Tipps bietet die Onlinehandreichung Sexualisierte Gewalt und Diskriminierung der bukof.

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