Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen"

15.12.2022

Telefonische Beratung in 18 Fremdsprachen

Unterstützung von Frauen, die von Gewalt betroffen sind, scheitert nicht an Sprachbarrieren

Wer ohne oder mit geringen Deutschkenntnissen beim Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" anruft, kann sich darauf verlassen, unterstützt zu werden. "Wir haben die Möglichkeit, rund um die Uhr innerhalb von einer Minute Dolmetscherinnen zu den telefonischen Beratungen hinzuzuschalten", erläutert Sabine Boldt, Fachbereichsleiterin in der Beratung beim Hilfetelefon. Um diesen Service zu gewährleisten, arbeitet das Hilfetelefon mit einem externen Dolmetsch-Dienst zusammen. "Wird für die Beraterin zu Beginn des Gespräches klar, dass die Anruferin nicht sicher Deutsch spricht, bindet sie innerhalb von Minuten eine Dolmetscherin in das Telefonat ein. Die Dolmetscherin übersetzt eins-zu-eins zwischen Beraterin und Anruferin. Die Beraterin ist allerdings diejenige, die das Beratungsgespräch führt", sagt Sabine Boldt.

Standards für das Dolmetschen wurden etabliert

Für die Beratungsgespräche mit Unterstützung einer Dolmetscherin hat das Team des Hilfetelefons Leitfäden mit Standards erarbeitet. So ist zum Beispiel das Sprechtempo ein wichtiges Element – wie auch die Beraterinnen sprechen die Dolmetscherinnen ruhig und nicht zu schnell. Die Übersetzungen erfolgen in kurzen Blöcken, so etwa alle vier, fünf Sätze. Zudem vergewissert sich die Beraterin, ob die Anruferin alles versteht. Unter Umständen bittet sie die Dolmetscherin, nachzufragen. Vor allem, wenn Adressen (Namen, Straßen) von weiteren Unterstützungseinrichtungen weitergegeben werden – dabei kommt es auf Präzision an.

Besondere Sensibilität erforderlich

Die Gespräche mit Anruferinnen des Hilfetelefons erfordern von den Dolmetscherinnen ein besonderes Maß an Sensibilität, zudem auch ein Bewusstsein für interkulturelle Kommunikation. Es gibt etwa Kulturen, in denen wird kein klares Nein ausgesprochen. "Wir arbeiten mit einem qualifizierten Dolmetsch-Dienst zusammen, in dem nur vereidigte Dolmetscherinnen tätig sind. Es sind Fachkräfte, die sich bewusst bereit erklärt haben, für das Hilfetelefon zu übersetzen. Einige sind auch in sozialen Einrichtungen oder im Unterstützungssystem tätig", berichtet Sabine Boldt. Die Dolmetscherinnen beherrschen Fachbegriffe und können sie übersetzen beziehungsweise paraphrasieren. So übersetzen sie zum Beispiel Begriffe aus dem  Gewaltschutzgesetz, ohne dass es diese Vokabel eventuell in der jeweiligen Fremdsprache gibt. Sie haben eine Vorstellung davon, was zum Beispiel mit dem "Näherungsverbot", "Wegweisung", "anonyme Spurensicherung" oder mit "Frauenhaus" gemeint ist und vermitteln korrekt, was diese Wörter bedeuten.

Anrufende sind oft im emotionalen Ausnahmezustand

Wenn die Dolmetscherinnen für das Hilfetelefon übersetzen, ist Geduld gefragt. Nicht selten weinen die Anrufenden in den ersten Minuten des Telefonates, es dauert unter Umständen einige Zeit, bis sie sich äußern können. Menschen, die unter Stress stehen, sprechen kaum in chronologischen Sätzen. Es braucht Erfahrung und ein Gespür dafür, Gespräche mit Frauen, die in einem emotionalen Ausnahmezustand, vielleicht sogar traumatisiert sind, zu lenken. "Während der Beratung kann es passieren, dass Bedrückendes thematisiert wird, sexualisierte Übergriffe oder Gewalterfahrungen. Diese Gespräche sind auch für professionelle Dolmetscherinnen eine Herausforderung, die es auszuhalten gilt. Es gibt auch Dolmetscherinnen, die sich nach einiger Zeit entscheiden nicht mehr für das Hilfetelefon zu übersetzen", weiß Sabine Boldt zu berichten. "Auszuhalten ist leider auch, dass es unter Umständen nicht die benötigte Hilfe gibt, etwa wenn der Aufenthaltsstatus wenig Spielraum lässt. Oder dass kein Platz im Frauenhaus gefunden werden kann."

Drei Personen pendeln sich aufeinander ein

Wichtig für das Gelingen der Gespräche ist, dass die Beraterinnen eine professionelle Beratungsbeziehung herstellen können. Wird die Hilfe einer Dolmetscherin benötigt, kann das herausfordernd sein, dann müssen sich drei Personen aufeinander einspielen. "Das verlangt von den Dolmetscherinnen Empathie und ein Gefühl für die Situation", so Sabine Boldt. "In der Regel gelingt es den Beteiligten sehr gut, sich aufeinander einzupendeln." Wenn das Beratungsgespräch vorbei ist, tauschen sich Beraterin und Dolmetscherin noch kurz in einer anschließenden Feedbackrunde aus. Hier geht es um das gemeinsame Zusammenspiel und um herausfordernde Situationen in der Beratung mit Dolmetschung.

Arabisch und Farsi/Dari am meisten nachgefragt

Für das vergangene Jahr 2021 hat das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" ausgewertet, welche Sprachen am häufigsten nachgefragt wurden. In insgesamt 3.638 Fällen ist eine Dolmetscherin zur Beratung hinzugezogen worden. Im Vergleich zum Vorjahr 2020 gab es kaum Veränderungen (3.604 Fälle). Alle 18 Fremdsprachen wurden genutzt. Den weitaus größten Anteil machten arabischsprachige Beratungen mit 23 Prozent aus, gefolgt von Farsi/Dari mit zwölf Prozent und Türkisch mit elf Prozent.

Im Jahr 2021 sind außerdem 767 fremdsprachige Beratungsgespräche durch die Beraterinnen selbst durchgeführt worden: Denn viele in diesem interkulturellen Team sprechen neben Deutsch eine weitere Sprache. Mit 55 Prozent fanden die meisten fremdsprachigen Beratungen in Englisch statt. Mit einigem Abstand folgten Bulgarisch, Farsi/Dari sowie Türkisch.

Seit bald zehn Jahren gibt es das Angebot des Hilfetelefons in Deutschland. Im Laufe der Jahre wurde das Fremdsprachenangebot des Hilfetelefons angepasst, sagt Sabine Boldt. "Wir haben zum Beispiel Chinesisch gegen eine nicht angefragte Sprache ausgetauscht. Im Jahr 2017 kamen Farsi/Dari, sowie Kurdisch (Kurmandschi) hinzu. Seit Mai diesen Jahres konnten wir die Beratung in Ukrainisch ermöglichen."

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