11.07.2024
Erstmals waren in Deutschland im vergangenen Jahr über eine Viertelmillion Menschen von Häuslicher Gewalt betroffen, genau 256.276. Diese Zahl geht aus dem aktuellen "Bundeslagebild Häusliche Gewalt" hervor, das Anfang Juni 2024 vorgestellt wurde. Die Zahl der Opfer Häuslicher Gewalt ist damit im Vergleich zum Vorjahr um 6,5 Prozent gestiegen; 70,5 Prozent der Betroffenen waren Frauen. Bei den insgesamt 167.865 erfassten Opfern von Partnerschaftsgewalt liegt ihr Anteil sogar bei 79,2 Prozent. 155 Frauen sind im Jahr 2023 durch ihren Partner oder Ex-Partner getötet worden.
Angesichts dieser alarmierenden Zahlen betonte Bundesfrauenministerin Lisa Paus bei der Vorstellung des vom Bundeskriminalamt (BKA) herausgegebenen Lagebildes das gemeinsame Ziel, gerade Frauen wirksam vor Gewalt zu schützen. "Die Herausforderung ist groß, insbesondere, weil so viel in den eigenen vier Wänden und unter Ausschluss der Öffentlichkeit passiert." Petra Söchting, Leiterin des Hilfetelefons "Gewalt gegen Frauen", unterstrich in diesem Zusammenhang den großen Bedarf nach einer jederzeit erreichbaren ersten Anlaufstelle und berichtete vom ebenfalls zunehmenden Beratungsaufkommen des Hilfetelefons im Berichtsjahr 2023: "Mit rund 59.000 Fällen ist das Beratungsaufkommen um rund zwölf Prozent gestiegen und so hoch wie nie."
BKA-Vizepräsidentin Martina Link verwies zusätzlich auf die hohe Dunkelziffer im Bereich Häusliche Gewalt, denn trotz steigender Zahlen werden noch immer viele Taten – etwa aus Angst oder Scham – nicht der Polizei gemeldet. Da die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) den tatsächlichen Umfang der Delikte somit nur bedingt widerspiegeln kann, werden derzeit im Rahmen der neuen Studie "Lebenssituation, Sicherheit und Belastung im Alltag" unter anderem umfangreiche Betroffenenbefragungen für die Bereiche Partnerschaftsgewalt, sexualisierte Gewalt, Stalking und digitale Gewalt durchgeführt. Die Studie soll das Dunkelfeld im Bereich von Gewaltvorkommnissen in Deutschland untersuchen und ist ein gemeinsames Projekt des BKA, des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat sowie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. "Die Aufhellung des Dunkelfelds wird dabei helfen, Straftaten im familiären und partnerschaftlichen Umfeld in Zukunft besser zu erkennen und Präventionsangebote zielgerichteter zu adressieren", hofft Martina Link.
Für das "Bundeslagebild Häusliche Gewalt" werden die Daten ausgewählter Straftaten aus der PKS in verschiedenen Kategorien herangezogen, darunter Mord, schwere und gefährliche Körperverletzung, sexuelle Nötigung, Stalking, Genitalbeschneidung und Zwangsheirat. Das Bundeslagebild setzt die ab 2016 jährlich veröffentlichte "Kriminalstatistische Auswertung Partnerschaftsgewalt" seit 2023 in umfangreicherer Form fort. Neben der Partnerschaftsgewalt werden auch die Delikte der sogenannten innerfamiliären Gewalt mitbetrachtet. Somit ermöglicht die Publikation eine umfassende Lageübersicht über die Häusliche Gewalt insgesamt.
Häusliche Gewalt: Beinhaltet als Oberbegriff alle Formen körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt und umfasst familiäre sowie partnerschaftliche Gewalt.
Partnerschaftsgewalt: Liegt dann vor, wenn zur Opfer-Tatverdächtigen-Beziehung in der PKS eine partnerschaftliche Verbindung erfasst wurde. Darunter fallen Ehepartnerschaften, eingetragene Lebenspartnerschaften, nicht-eheliche Lebensgemeinschaften und ehemalige Partnerschaften.
Innerfamiliäre Gewalt: Bezeichnet Delikte, bei denen zur Opfer-Tatverdächtigen-Beziehung in der PKS "Familie oder sonstige Angehörige (ohne Eheleute, (Ex-)Partnerschaft)" erfasst wurde. Darunter fallen beispielsweise Kinder, Eltern (auch Pflege-, Adoptiv- und Stiefeltern), Geschwister, Großeltern oder Verwandte des Partners / der Partnerin.