Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen"

14.12.2023

Orangene Aufkleber für die Tonne

Nachgefragt bei Nicole Biela

Im Interview erläutert Nicole Biela, der Gleichstellungsbeauftragten der Stadft Wilhelmshaven, warum Abfalltonnen nun für mehr Sichtbarkeit für das Thema Gewalt gegen Frauen sorgen und was der Arbeitskreis "Orange Days" in Wilhelmshaven auf den Weg bringt.

Frau Biela, wie kam es zur Idee, Abfallbehälter mit Aufklebern des Hilfetelefons "Gewalt gegen Frauen" auszustatten?

Nicole Biela: Das Hilfetelefon ist erste Anlaufstelle für die von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt betroffenen Frauen, aber auch für Fachkräfte und das soziale Umfeld. Das Hilfetelefon ist die "erste Hilfe", die bei Bedarf an die regionalen Beratungs- und Informationsstellen weitervermittelt. Als Gleichstellungsbeauftragte möchte ich dazu beitragen, dass die Bekanntheit des Hilfetelefons weiter steigt. Die Anbringung der leuchtend orangen Aufkleber an Abfallbehältern sorgt für stadtweite Sichtbarkeit des Beratungsangebots und damit auch für eine Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt aus verschiedenen Perspektiven. Die Abfallbehälter stehen direkt an den Häusern, hinter deren Mauern womöglich Gewalt in unterschiedlichen Formen ausgeübt wird. An den Abholtagen stehen die Tonnen direkt an den Straßen und sorgen für Sichtbarkeit. Dasselbe gilt für die Wertstoffsammelplätze, die stark frequentiert werden. Die Idee, Abfalltonnen zu nutzen, um mit mehrsprachigen Aufklebern auf Gewalt gegen Frauen hinzuweisen, wurde von Anfang an bei den Technischen Betrieben der Stadt Wilhelmshaven positiv aufgenommen. Die flächendeckende Umsetzung bedeutet auch eine längerfristige Kooperation – wir sind dankbar und freuen uns riesig über das Engagement aller an der Umsetzung Beteiligten.

Die Stadt Wilhelmshaven ist eine weltoffene Kommune und als solche vielfältig, auch im Hinblick auf die (Mutter-)Sprachen. Mir ist wichtig, dass möglichst viele Menschen die Nummer auch mit dem Thema "Hilfestellung bei Gewalt" verbinden. An dieser Stelle bedarf es der Mehrsprachigkeit, damit niemand von Hilfsangeboten ausgeschlossen wird.
 

Warum ist der Stadt Wilhelmshaven das Engagement gegen Gewalt an Frauen ein besonderes Anliegen?

Nicole Biela: Gewalt gegen Frauen ist auch heute noch ein universelles, meistens unbestraftes Verbrechen mit vielen Gesichtern: Ehrenmorde, Zwangsprostitution, Frauenhandel, Zwangsehen, Genitalverstümmelung, sexuelle Belästigung und Nötigung, Vergewaltigung, körperliche und psychische Bedrohung und direkte Gewaltanwendung oder auch geschlechtsspezifische Benachteiligung in Familie, Staat und Gesellschaft. Partnerschaftliche Gewalt ist die häufigste Gewaltform. Geschlechtsspezifische Gewalt findet aber auch täglich für viele Frauen, Mädchen und queere Menschen auf der Straße, in Schulen, am Arbeitsplatz sowie in der digitalen Welt statt. Die Formen reichen von sexualisierten Sprüchen und anzüglichen Gesten über Online-Hass bis hin zu Vergewaltigung und Femizid.
 

In Wilhelmshaven gibt es die Arbeitsgemeinschaft „Orange Days" – was steckt dahinter?

Die "Orange Days" wollen auf die erwähnten Missstände aufmerksam machen, informieren, sensibilisieren, solidarisieren und auf vorhandene Hilfsangebote für Betroffene und das soziale Umfeld hinweisen. Die Bezeichnung ist angelehnt an die internationale Bezeichnung der UN-Kampagne "Orange The World" zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen. Der Arbeitskreis "Orange Days" will aber auch die Strukturen und Mechanismen geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt herausarbeiten und – bestenfalls – aufbrechen. Nicht zuletzt beruhen diese auf immer noch bestehenden Geschlechtsstereotypen und Geschlechterrollen und den sich daraus ergebenden patriarchalischen Strukturen. Das bildet sich zum Beispiel in unserer Sprache ab: Da steht der "starke Mann" über der "schwachen Frau", er ist anerkennend der "Kerl", sie die "Heulsuse".

An den Orange Days 2023 hat sich beispielsweise die Integrierte Gesamtschule in Wilhelmshaven mit einer beeindruckenden Kunstausstellung beteiligt. Mehr als 60 Schülerinnen und Schüler haben freiwillig mitgewirkt. Ihre Werke lassen uns an der Gedankenwelt der Betroffenen – den Demütigungen, Beleidigungen, der Objektifizierung, den Ängsten, dem Erlebten, dem Befürchteten – teilhaben.

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