Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen"

15.03.2021

Flexibel und engagiert – so kommen zwei Frauenhäuser durch die Corona-Krise

Frauen, Kinder, Mitarbeiterinnen, Ehrenamtliche: Im Frauenhaus sind tägliche Personenwechsel, diverse Kontakte, unterschiedlichste Bedürfnisse und die klassische Versorgung, etwa Ernährung und weitere Anliegen der Bewohnerinnen, zu organisieren. Gleichzeitig gilt es, mit den Frauen im Gespräch zu sein und die nötige Unterstützung zu gewährleisten. All dies ist schon anspruchsvoll genug. Doch welche Herausforderungen bringt die Covid-19-Pandemie zusätzlich mit? Zwei Frauenhäuser, eines im nordrhein-westfälischen Duisburg und eines in der bayerischen Kleinstadt Weiden, gewähren Einblicke, wie sie durch die turbulenten Krisenzeiten kommen.

Pandemie-Alltag zweier Frauenhäuser

„Es war erstmal ein großer Schreck“, beginnt Karin Bartl, Leiterin des 1978 gegründeten Frauenhauses Duisburg. „Zu Beginn der Pandemie im Frühjahr stellten sich unzählige Fragen zur Alltagspraxis: Wie informieren wir Frauen und Mitarbeiterinnen, wie halten wir Abstand und woher bekommen wir Masken?“ Abstand halten funktionierte im Haus nicht besonders gut, also mussten Masken her. Nähende Spenderinnen aus der Umgebung unterstützten großzügig. „Die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts mussten wir ja selbst auf unseren Alltag herunterbrechen – das waren enorme Umstellungen für alle Mitarbeiterinnen.“

Ähnlich schildert Enikö Nagy, Leiterin des seit 1996 bestehenden Frauenhauses Weiden, die Lage: „Die Schwierigkeit war, dass wir lange nicht wussten, welche Vorgaben uns wie betreffen. Entworfene Pläne musste man von Woche zu Woche umwerfen, das war anstrengend und eine Belastung für alle.“ Auf vier hauptamtliche Mitarbeiterinnen und 15 ehrenamtliche Unterstützerinnen konnte Nagy zunächst zählen. Allerdings gehören einige davon zur Risikogruppe, was ein nicht unerhebliches Problem in einem vollen Haus darstellt. Eine Angestellte nahm zudem aus Angst vor Ansteckung Abschied, sodass weniger Kolleginnen mehr Arbeit schultern mussten.

Im Frauenhaus Duisburg wurden mit Pandemie-Beginn sämtliche Gruppentermine ausgesetzt: keine Hausversammlungen, keine Ausflüge. Als Folge stieg der Kommunikationsaufwand für die Kolleginnen – vier Vollzeitstellen, eine Teilzeitstelle – innerhalb des Hauses, etwa wenn Handwerker kommen und Frauen rechtzeitig Bescheid wissen müssen, damit sie sich darauf einstellen können. Die gemeinsamen Aktivitäten fehlen und damit ein Stück menschliche Nähe in der Beziehungsebene zu den Bewohnerinnen. Auch bei Beratungsgesprächen muss auf den notwendigen Sicherheitsabstand geachtet werden. Um wenigstens auf die Maske verzichten zu können, wurden Plexiglasscheiben installiert.

Quarantänemaßnahmen umsetzen

Welche Probleme gab es rund um die Quarantänemaßnahmen? Erfreut über eine Möbelspende und ein leerstehendes Zimmer in einem anderen Gebäude richtete Nagy in Weiden ein sogenanntes Pandemiezimmer ein – allerdings konnte es nicht als Quarantänezimmer genutzt werden. Eine Quarantänezeit in einem umliegenden Hotel kam in dem kleinen bayerischen Ort nicht infrage. Weder konnten die vorgegebenen Schutzmaßnahmen noch die einzuhaltenden Verhaltensregeln und die individuelle Betreuung gewährleistet werden. Eine neue Lösung musste her. Der Zufall half mit einer leerwerdenden Wohnung des Trägers in einem anderen Stadtteil.

In Duisburg sind die Frauen und Kinder – maximal neun bzw. 13 – in eigenen Apartments mit Duschraum und Küchenzeile zur Selbstversorgung untergebracht. So können Quarantänemaßnahmen innerhalb der Einrichtung umgesetzt werden. Mithilfe von Spenden und Gutscheinen richtete Bartl ein Versorgungslager mit einem größeren Vorrat an Lebensmitteln und Hygieneartikeln ein, um ein paar Tage überbrücken zu können, falls das gesamte Haus unter Quarantäne gestellt wird. Bislang gab es glücklicherweise nur einzelne Fälle – ähnlich sieht die Quarantäne-Bilanz in Weiden aus.

Helfen digitale Lösungen?

Ja und nein. Arbeitsbesprechungen erfolgen in beiden Frauenhäusern zum Teil online. In Weiden wurden in den letzten Monaten Laptops, Kameras und Lautsprecher angeschafft. In Duisburg hingegen hapert es noch mit der WLAN-Versorgung für alle. Allerdings ist dort die Video-Telefonie für Bewohnerinnen aus Sicherheitsgründen nicht gestattet – andere Gebäude im Hintergrund könnten Hinweise auf den Standort des Hauses liefern. So müssen die Mitarbeiterinnen auch für das Homeschooling der Kinder individuelle Möglichkeiten finden, teils in Kooperationen mit umliegenden Schulen.

Erschwerte Hilfe

Die Leiterinnen beider Häuser sind sich einig, dass die Wege gewaltbetroffener Frauen ins Hilfesystem in der Corona-Zeit trotz Unterstützungsangeboten wie des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ aus diversen Gründen gehemmt seien: Während des zweiten Lockdowns ist es in den Frauenhäusern ruhiger geworden, zum Teil wurden Aufnahmen pandemiebedingt sogar verhindert. Problematisch ist ebenfalls, dass die Öffentlichkeitsarbeit in Form regelmäßiger Vorträge über ihre Arbeit und das Werben um Unterstützung von außen derzeit nicht möglich ist. In einer bundesweiten Aktion sollte deshalb mithilfe von Abreißzetteln in Supermärkten stärker auf Einrichtungen aufmerksam gemacht werden; einige Geschäfte in Weiden konnten sich jedoch nicht dazu durchringen. „Jede gesellschaftliche Krise trifft vor allem die benachteiligten Gruppen“, führt Nagy aus, unter anderem, weil diese eher von Jobverlust und beengten Wohnverhältnissen betroffen seien. Das Corona-Resümee aus Bayern und Nordrhein-Westfalen: Um gemäß ihrem Auftrag unbürokratische und schnelle Hilfe leisten zu können, sind jeden Tag aufs Neue kreative Lösungen und Flexibilität gefragt. All dies würde nicht ohne das Engagement und den persönlichen Einsatz aller Mitarbeiterinnen gehen.

www.frauenhaus-duisburg.de
www.diakonieweiden.de/frauenhaus.htm

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