07.03.2019
Die Zahl der weltweit dokumentierten Fälle von Menschenhandel ist weiter angestiegen – das zeigt der Globale Bericht über Menschenhandel 2018, der im Januar vom Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung der Vereinten Nationen (UNODOC) herausgegeben wurde. Für die Studie wurden Daten aus 142 Ländern gesammelt und ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen deutlich: besonders gefährdet sind Mädchen und Frauen; fast drei Viertel aller Betroffenen sind weiblich. Die Frauen werden insbesondere zum Zweck der Zwangsprostitution versklavt und ausgebeutet.
Deutschland bildet da keine Ausnahme, berichtet das Bundeskriminalamt in seinem im November letzten Jahres erschienenen Bundeslagebild 2017 "Menschenhandel und Ausbeutung": Von den 489 Menschen, die im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen als Betroffene von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung festgestellt wurden, waren 99 Prozent weiblich.
"Die Zahlen des Bundeskriminalamtes geben nur das polizeibekannte Hellfeld wieder. Die Anzahl der Fälle von Menschenhandel in Deutschland dürften deutlich höher sein", gibt Sophia Wirsching, Geschäftsführerin vom KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e. V. zu bedenken. Denn längst nicht alle Fälle tauchen in den Studien auf. "Fachberatungsstellen gegen Menschenhandel beraten aber deutlich mehr Betroffene, die sich aus unterschiedlichen Gründen nicht der Polizei offenbaren möchten."
Machten in den Vorjahren noch deutsche Staatsangehörige den größten Teil der Betroffenen in der Bundesrepublik aus, sind nun am häufigsten bulgarische und rumänische Frauen von Menschenhandel in die Prostitution betroffen. Einen besonders starken Anstieg verzeichnet die Anzahl der nigerianischen Betroffenen: Waren es 2016 noch 25 Betroffene, wurden 2017 bereits 39 Fälle bekannt. Damit stammen 9 Prozent der polizeilich erfassten Betroffenen von Menschenhandel aus Nigeria.
Wie der Bericht des Bundeskriminalamtes zeigt, ist die persönliche Bindung zwischen Betroffenen und Zuhältern besonders entscheidend: Fast die Hälfte der betroffenen Frauen oder Mädchen kannten die Zuhälter bereits, bevor sie in das Ausbeutungsverhältnis gelangten. Gerade bei deutschen Betroffenen wenden Zuhälter häufig die sogenannte "Loverboy-Methode" an: Sie spielen den betroffenen Frauen eine Beziehung vor, um ein emotionales Abhängigkeitsverhältnis zu schaffen und sie dann an die Prostitution heranzuführen.
Frauen und Mädchen aus dem Ausland gelangen häufig durch gezielte Täuschung in die Prostitution. Sie werden zum Beispiel durch die Aussicht auf eine Arbeitsstelle oder über angebliche Modelagenturen dazu verleitet, nach Deutschland zu kommen. Hier werden sie dann zur Prostitution gezwungen. Durch Androhung von Gewalt, Misshandlung oder der Abnahme ihrer Papiere machen Menschenhändler und Zuhälter die Betroffenen gefügig und abhängig. Gerade um mit Minderjährigen in Kontakt zu kommen, nutzen sie zudem vielfach das Internet, zum Beispiel soziale Netzwerke (16 Prozent der bekannten Fälle).
Der Lagebericht des Bundeskriminalamtes zeigt deutlich, wie schwierig es für betroffene Frauen ist, sich aus eigener Kraft aus dem Ausbeutungsverhältnis zu befreien: Nur etwa 30 Prozent der Verfahren wurden durch die Betroffenen selbst angestoßen. Generell sind nur Wenige bereit, eine Aussage bei der Polizei zu machen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Bei Frauen aus dem Ausland können Sprachbarrieren sowie negative Erfahrungen mit den Sicherheitsbehörden in den Herkunftsländern eine Rolle spielen. Ebenso nehmen manche Betroffenen ihre Situation nicht als Ausbeutung wahr. Hinzu kommt, dass viele Frauen sich aus Angst vor den Tätern, aus Scham oder aufgrund von Abhängigkeiten nicht trauen, mit der Polizei zu sprechen. Fachberatungsstellen sind daher laut dem Bundeskriminalamt für die polizeiliche Arbeit besonders wichtig: Zum einen entschließen sich einige Betroffene nur in Begleitung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einer Beratungsstelle dazu, Anzeige zu erstatten. Zum anderen können Fachberatungsstellen eine Betreuung während und nach den Ermittlungen gewährleisten.
Der KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e. V. ist ein Zusammenschluss von Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel und weiteren Organisationen, die zu Menschenhandel, Ausbeutung und Gewalt an Migrantinnen arbeiten. Informationen finden Sie auf: www.kok-gegen-menschenhandel.de
Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" berät betroffene Frauen und Mädchen zu ihren Möglichkeiten, sich aus der Situation zu lösen. Auch stellen die Beraterinnen den Kontakt zu Unterstützungseinrichtungen in der Nähe her, bei denen die Betroffenen Hilfe finden können – zum Beispiel zu Fachberatungsstellen gegen Frauenhandel, Prostituiertenberatungsstellen oder Frauenhäusern. Freundinnen, Freunde und Verwandte sowie Fachkräfte können sich ebenfalls bei all ihren Fragen zu Menschenhandel an das Hilfetelefon wenden.
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