16. Mai 2018
Am 14. Mai ist der Startschuss für die Special Olympics in Kiel gefallen. Rund 4.600 Sportlerinnen und Sportler gehen bei den Sommerspielen in diesem Jahr in 19 Disziplinen an den Start. Neben Gold, Silber und Bronze kämpfen die Athletinnen und Athleten mit geistiger Behinderung auch für mehr gesellschaftliche Teilhabe und Anerkennung für ihre Leistungen – im und außerhalb des Sports. Welche Botschaften die Spiele senden und wie die Special Olympics das Thema (sexualisierte) Gewalt angehen, erläutert Hubert Hüppe, Vizepräsident der Special Olympics Deutschland, im Gespräch mit dem Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen".
Im Mittelpunkt steht der Sport. Menschen mit sogenannter "geistiger" Behinderung haben leider längst nicht so viele Möglichkeiten wie Nichtbehinderte sich in Wettbewerben zu messen. Für viele Sportler wird dies ein unvergessliches Erlebnis sein. Es wird so viele "Unified" Wettbewerbe, bei denen behinderte und nichtbehinderte Sportler zusammen antreten, wie noch nie geben. Der Wahlspruch von Special Olympics "Gemeinsam sind wir stark" macht deutlich, dass die Selbstständigkeit, das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein der Athletinnen und Athleten gestärkt werden sollen. Das Hauptziel bleibt die Inklusion. Wir wollen in Kiel dazu beitragen, dass die Trennung der Lebenswelten von Menschen mit und ohne Behinderungen überwunden wird.
Sport verändert grundsätzlich bei behinderten wie nichtbehinderten, weiblichen und männlichen Menschen nicht nur den Körper, sondern unterstützt auch die Persönlichkeitsentwicklung. Man lernt sich und seine Fähigkeiten kennen und erfährt, dass man sich durch Training stark macht. In dem während der Spiele zusätzlich angebotenen Gesundheitsprogramm wird auch das Thema "Innere Stärke" behandelt. Dabei sollen die Sportlerinnen und Sportler geschult werden, mit seelischen Belastungen umzugehen.
Studien besagen, dass Frauen mit sogenannter "geistiger Behinderung" sogar noch stärker betroffen sind, weil sie häufig in Einrichtungen wohnen und/oder arbeiten. Der Sport birgt, wie fast jeder Bereich, auch Risiken, denen wir uns bewusst sind. Wir versuchen als Dachverband dem vorbeugend entgegenzuwirken. Aber gerade die Wettbewerbe, viele davon inzwischen auch inklusive, bieten die Chance, sich Anderen gegenüber außerhalb von Einrichtungen, aber auch außerhalb der Familie, zu öffnen. Jeder, der bei uns mitmacht, wird verpflichtet hinzuhören und hinzusehen.
Jeder, der in Kiel an den Start geht, erhält bei der Anmeldung ein Informationsblatt zum Thema Vorbeugung von sexualisierter Gewalt. Alle Akteure um die Sportlerinnen und Sportler herum werden in Schulungen auf das Thema aufmerksam gemacht. Sie lernen dort, wie man sexuelle Gewalt verhindert und was man tun kann, wenn etwas passiert ist. Helferinnen und Helfer, Betreuerinnen und Betreuer und Trainerinnen und Trainer unterschreiben zudem einen sogenannten "Ehrenkodex". Das bedeutet, dass sich jeder verpflichtet, hinzuhören und hinzusehen, wenn es um dieses Thema geht. Wir machen zusätzlich auf das Hilfetelefon "Sexueller Missbrauch" aufmerksam. Außerdem wird im Rahmen der Spiele eine Wanderausstellung über Selbstbestimmung und Schutz vor sexueller Gewalt für Menschen mit Lernschwierigkeiten präsentiert. Dort werden auch Arbeitsgruppen zum Thema angeboten.
Wichtig ist, dass Frauen mit Behinderungen von dem Angebot wissen und überall ohne Beaufsichtigung anrufen können. Durch die mit dem Teilhabegesetz nun verbindlich vorgeschriebenen Frauenbeauftragten in Werkstätten ist ein weiterer Schritt gemacht worden. Diesen Beauftragten müssen jetzt aber auch entsprechende Schulungen angeboten werden. Jeder Träger einer Einrichtung muss aus meiner Sicht verpflichtet werden, dass das Wissen über Hilfe und der Zugang zu den Hilfen gesichert ist. Dabei wäre mir wichtig, dass alle Opfer sofort Zugang zu gewaltfreien Räumen haben. In Einrichtungen müssen die mutmaßlichen Täter gehen – nicht die Opfer. Für Frauen außerhalb von Einrichtungen muss es auch Notaufnahmen geben. Frauenhäuser sind auf Frauen mit sogenannter "geistiger Behinderung" nicht eingestellt.
Hubert Hüppe ist seit 2011 Vizepräsident der Special Olympics Deutschland und verantwortlich für den Bereich Politik/Inklusion/Gesundheit. Von 2010 bis Januar 2014 war er Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen und setzt sich – damals wie heute – für die Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte behinderter Menschen in allen Lebensbereichen ein. Der 64-Jährige ist zudem Mitglied im Bundesvorstand der Bundesvereinigung Lebenshilfe.
Special Olypmics Deutschland (SOD) ist die deutsche Organisation der weltweit größten Sportbewegung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. SOD ist als Verband mit besonderen Aufgaben Mitglied im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und verschafft heute mehr als 40.000 Menschen mit geistiger Behinderung selbstbestimmte Wahlmöglichkeiten von behinderungsspezifischen bis hin zu inklusiven Angeboten. SOD entsendet regelmäßig Delegationen zu Special Olympics Weltspielen – das nächste Mal 2019 nach Abu Dhabi.
Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" möchte es Frauen mit Behinderung erleichtern, sich bei Gewalterfahrungen Unterstützung zu suchen und berät daher auch in Leichter Sprache – anonym, vertraulich, kostenlos und rund um die Uhr. Erfahren Sie hier mehr: www.hilfetelefon.de/das-hilfetelefon/beratung/leichte-sprache.html